Die Toten Hosen
Deutschlands populärste Punkband stammte aus der quicklebendigen Düsseldorfer Szene, die Ende der 70er Jahre jeden Abend Punk- und Rockkonzerte im Ratinger Hof veranstaltete. Ausgangspunkt war die Gruppe ZK, der Campino, angehörte. ZK veröffentlichten mehrere Independent-Platten, u.a. die EP "Das Grauen geht auf große Fahrt". 1981 entstanden in diesem Umfeld die Toten Hosen mit Campino, Andi, Breiti, Kuddel und Trini Trimpop (drums). Sie spielten vorwiegend auf Parties, in besetzten Häusern und autonomen Jugendzentren und fielen zunächst durch ihre immense Lautstärke auf. Die vielzitierten drei Akkorde, Campinos aggressive Stimme und auffällige Präsenz waren die musikalische Basis der Toten Hosen. Sie traten in geschmacklosen Hippie-Hemden und Schlaghosen auf und feuerten ihr Publikum mit Refrains, die "wie Schlachtgesänge aus der Westkurve" (Tempo) wirkten, an. Die provokative Band machte durch spektakuläre Aktionen und laute Meinungsäußerung von sich reden und wurde als authentische Rockgruppe, die von der Punk-Ära profitierte, akzeptiert.
Sie bereisten Deutschland weiterhin in ihrem gelben Bandbus, absolvierten erste TV-Auftritte und veröffentlichten Ende 1984 die EP "Liebesspieler", die im Juni des Jahres von John Peel bei der BBC mitgeschnitten wurde. Für die Mini-LP "The Battle Of The Bands" schlüpften sie 1985 in unterschiedliche Rollen und präsentierten sich als swingende Mexikaner, Heavy Metal-Vertreter, "Flinger Domspatzen" und Surf-Gruppe. Wie im Teenie-Film "Formel 1" persiflierten sie mit Spaß und Lust nostalgische Klänge. Gemeinsam mit Norbert Hähnel, der als "Der wahre Heino" alte Heino-Songs vortrug, tourten die Toten Hosen bis Ende 1985 wieder durch die Bundesrepublik. Danach stieg Trini Trimpop bei der Band aus, war fortan Manager der Gruppe und kümmerte sich um das Label Totenkopf Records. Am Schlagzeug wurde er durch Wolli ersetzt.
Die Bühnenerfahrungen verarbeiteten die Toten Hosen 1988 auf der ausgezeichneten LP "Ein kleines bißchen Horrorschau" (GB #7): "Ihre Musik hat sich längst vom Punk zu solidem Hardrock gewandelt, aber die typischen Mitsing-Chöre sind nicht tot zu kriegen" (Musik Express). Plötzlich wurden die Toten Hosen gesellschaftsfähig und in den etablierten Medien registriert. Die Band ließ sich jedoch nicht vom Erfolg beeindrucken, behielt konsequent ihren unverblümt-offenen Stil bei und widersetzte sich auch den einengenden Markt-Mechanismen. Ihr 'Happy Metal'-Stil eroberte nun auch die Charts. Mit "Hier kommt Alex" (D #32) tauchten sie im November 1988 zum ersten Mal in den Single-Hitparaden auf. Die Tour im Frühjahr 1989 geriet nach den Plattenerfolgen zu einem Triumpfzug. Ausverkaufte Hallen erlebten ein "atemloses Powerplay zwischen rotzigem Punk, purem Rock'n'Roll und karnevalistischen Gassenhauern" (Musik Express). Alle Besucher mußten eine "Fortuna-Mark" bezahlen, mit der die Toten Hosen den Kauf der Stürmer Anthony Baffoe und Oliver Gensch für ihren Lieblingsverein "Fortuna Düsseldorf" unterstützten. 150.000 Deutsche Mark brachten die Fußball-Fans auf. Auf der LP "Auf dem Kreuzzug ins Glück" (D #1), die im Frühjahr 1990 in die Läden kam, verarbeiteten die Toten Hosen eigene Songs, den Punk-Evergreen "First Time" von den Boys und mit "New Guitar In Town" eine Komposition von deren Gitarrist John Plain. Neben Plain wirkten als Studiogäste der Kabarettist Gerhard Polt und das Trio Biermösl Blosn an der Produktion mit. Die bayrischen Kleinkünstler beteiligten sich an den drei Akten des 'Dramas' "Willi". Inhaltlich "nutzte die Gruppe die Bandbreite zwischen ernsthaft und spaßig voll aus" (Prinz) und brillierten musikalisch "mit deutlich melodiöserem Gesang und genau jenen eingängigen Refrain-Melodien, nach denen Kollegen wie Guns N'Roses immer gesucht haben (Musik Express). Am 30. und 31.März spielten "die Hüter des verlorenen Punks" (Stern) im Vorprogramm für die Kölner Konzerte der Rolling Stones, und zur Fußball-WM reiste die Band im Sommer nach Italien, um für lokale Radiostationen und alternative Zeitungen und Magazine als Reporter zu arbeiten. Ihre Herbsttournee bewies, daß "sie unangefochten an der Spitze der Rock-Nation stehen" (Musik Express); und mit "Alles wird gut" (D #15) und ihrer Version des Adriano Celentano-Hits "Azzurro" (D #23) demonstrierten die Hosen Charts-Format. Im Frühjahr 1991 verwirklichten die Toten Hosen ihren Wunsch, Punk-Standards mit Original-Musikern aufzunehmen. Dabei kam es auch wenige Tage vor seinem Tod - zu einer Session mit der nordamerikanischen Punk-Legende Johnny Thunders. Für das Album "Learning English, Lesson One" (D #14) trafen sie in Rio de Janeiro den berühmten englischen Posträuber Ronald Biggs und nahmen den von Biggs getexteten Song "Carneval In Rio" (D #36) auf. Außerdem waren unter den LP-Gästen u.a. Joey Ramone Ramones, Captain Sensible und Mitglieder der Lurkers, Vibrators und Sham '69. Die Toten Hosen orientierten sich fast sklavisch genau an den Originalvorlagen und zeigten, "daß Punk-Rock, wie ihn die Hosen meinen, viel mehr mit Melodien und Rock'n'Roll zu tun hat denn mit Alk & Krach" (Musik Express). Manager Trini Trimpop schuf aus privaten Super 8- und 16 Millimeter-Filmen, Konzertdokumentationen, Videos und Fernsehauftritten den Film "Die Toten Hosen - Drei Akkorde für ein Hallelujah", der im Juli 1991 uraufgeführt wurde. Dabei "balancierten die Hosen auf dem dünnen Grad zwischen vergackeiernder Anbiederung und intelligenter Verweigerung." (Süddeutsche Zeitung). Frontmann Campino wirkte zudem 1992 unter der Regie von Hanns Christian Müller in dem Kinofilm "Langer Samstag" mit.
1993 wurde zum - bis dahin - erfolgreichsten Jahr der Toten Hosen. Sie brachten die mit Platin ausgezeichnete LP "Kauf mich!" (D #1) und die Singles "Wünsch Dir was" (D #28), "Alles aus Liebe" (D #29) und "Kauf mich!" (D #34) in den Handel und wurden als Anheizer für U 2 in deutschen Sportstadien bejubelt. Danach griffen sie die Idee der "Magical Mystery Tour" wieder auf und zogen erneut durch die Wohn- und Partyräume ihrer Fans. Schließlich erschien der Sampler "Reich & Sexy" (D #8), für dessen Cover sie eine Szene von der Jimi Hendrix-LP "Electric Ladyland" nachstellten. Mit jedem Takt verbreitete die Band "pralles Lebensgefühl und richtig gute, deutsche Rockmusik" (Musik Express) und begeisterte im ersten Halbjahr 1994 bei 24 Konzerten, u.a. in der Schweiz, Österreich, Südeuropa, Japan und Lateinamerika, 220.000 Zuhörer. Die Toten Hosen bewahrten sich das Straßengang-Image, blieben alten Idealen treu und scherten sich nicht um Konventionen. Aber sie verstanden es längst sehr geschickt, sich optimal zu vermarkten. Zur besseren Verständigung veröffentlichten sie 1994 mit "Love, Peace & Money" (D #25) einen Sampler, der englische Fassungen ihrer wichtigsten Songs zusammenfaßte.
Im Jahr 2000 traten sie bei Rock-am-Ring auf und Campino hatte sich dabei das Kreuzband gerissen. Trotzdem begeisterten er und seine Jungs 80.000 tobende Zuschauer bis zur letzten Minute.
"Friss oder stirb" ist der Titelsong der neuen Maxi-Single, die mit insgesamt vier neuen Tracks fast schon wie eine Mini-LP wirkt. Die drei Bonus-Tracks heißen "Goodbye Garageland", "Lebt wohl & danke sehr" und "Wir sind das Volk". Und weil alle Stücke richtig hart nach vorne gehen, werden sich Freunde des klassischen Hosen-Sounds mit dieser Scheibe sicherlich bestens bedient fühlen. Gibts bei Amazon. | |||||||||||||||
Ende des Jahres 2004 sind die Toten Hosen wieder auf Deutschlandtournee, vom |