U2

U2 glänzen im Auge des Beifall-Hurrikans

18 000 Fans bereiten U2 zum Auftakt der Deutschland-Tournee in der Köln-Arena einen triumphalen Empfang

Von MM Redaktionsmitglied Jörg-Peter Klotz

U2 kommen "nackt" auf die Bühne. Kein Raumsachiff ist nötig, um ihren Auftritt in der Köln-Arena imposant zu gestalten. Die Trabi-Mobiles von der "ZooTV-Tour" ruhen im Mülleimer der Rockgeschichte, die spektakulären Multimedia-Gewitter der 90er Jahre sind spurlos vorübergezogen. Zum atemlosen Beat von "Elevation" marschieren Bono, The Edge, Adam Clayton und Larry Mullen einfach so in das riesige Areal, das zunächst etwa so stimmungsvoll beleuchtet ist wie eine Bahnhofshalle voller Neon-Röhren.

Aufwendige Effekte haben U2 im neuen Jahrtausend offensichtlich nicht mehr nötig, denn trotz ihrer völlig abgespeckten Bühnenshow könnte der Empfang beim Auftakt ihrer Deutschland-Tournee nicht triumphaler sein. Ein wahrer Sturm der Begeisterung tost durch die Arena, als sich unzählige Hände flehentlich nach Bono recken. Der beherscht seinen Part als Mischung aus Rock-Star, Messias, Volkstribun, Mime und Showman so virtuos wie sonst vielleicht nur noch Mick Jagger.

Dass die Stimme des Frontmanns an diesem Abend dem Pensum einer monatelangen Welt-Tournee hörbar Tribut zahlen muss, spielt keine Rolle - die überwältigende Ausstrahlung der Band übertüncht die Unpässlichkeiten restlos. Bei den hohen Passagen springt Gitarrist The Edge ein, oder Bono überläßt die Bühne einfach seinem Puplikum: "Bitte singt für mich." Solche Aufforderungen sind gar nicht nötig, den die U2-Fans übernehmen bei Klassikern wie "I Will Follow", "Pride" oder "With Or Without You" ohnehin die Rolle eines riesigen Background-Chores. Vor allem "Sunday Bloody Sunday" gerät so zu einem der eindruckvollsten Live-Momente, die man auf Rock-Bühnen zu sehen bekommt - zumal der Text vor dem Hintergrund der Zwischenfälle in Nordirland immer noch bedrückend aktuell ist.

Doch die ganz alten Hits machen nur ein Drittel des über zweistündigen Konzerts aus. Mit dem Material der "Achtung Baby"-Ära und sieben Stücken aus dem aktuellem Album "All That You Can't Leave Behind" beweisen U2, dass sie auch 25 Jahre nach ihren Anfängen als Schülerband in Dublin zu den Top-Songschreibern gehören. Die mitreißenden Stadionrocker "Elevation" und "Beautiful Day" eröffnen das Konzert im ICE-Tempo, eine großartige Interpretation von "Stuck In A Moment..." sowie die wunderschöne Soul-Ballade "In A Little While" sind die intimsten Augenblicke des Konzerts. Zumal Bono Letzters in einer anrührenden Ansprache seinem Freund und Kollegen Herman Brood widmet, der sich am 11.7. das Leben genommen hatte.

Die Stimmung schaukelt sich aus mehreren Gründen derart hoch: Die Bühnenkonstruktion sieht zwar nach Unterstatement aus, ist aber so angelegt, dass die Band von allen Seiten aus gesehen werden kann - dass schaft eine Nähe, wie man sie sich vorher in der gigantischen Köln-Arena gar nicht hätte vorstellen können. Ein herzförmiger Laufsteg rund um die Bühne, auf dem Bono die Band umkreist wie ein Satellit, verstärkt diesen Effekt. Zudem steigert das Staunen der 18 000 darüber, wie vier Musiker ohne großes Bühnengerät 18 000 Menschen derart mitreißen können, die Begeisterungskurve exponential. Im Auge dieses Beifall-Hurrikans stehen die vier Iren, unerschütterlich und eingespielt wie ein Ehepaar beim Frühstück am Tag ihrer goldenen Hochzeit. Dass hier die Chemie stimmt, merkt man in jeder Sekunde - und das die drei Instrumentalisten handwerklich längst in der Weltklasse angekommen sind, setzt dem Gesamteindruck die Krone auf.

Bevor U2 mit "One" und "Walk On" noch absolute Glanzlichter an den Schluss setzen, macht Bono seinem Herzen Luft: "Wir hatten schon viele tolle Nächte in Deutschland, aber heute fühlt es sich ganz besonders an", bringt der 41-Jährige die geradezu magische Stimmung auf den Punkt. Und fügt ganz ergriffen hinzu: "Danke für ein tolles Leben." Den Dank geben die völlig euphorischen Fans zurück - zumindest für einen außergewöhnlichen Abend.